„Nur für Akhwat?“ – Eine genderspezifische Analyse islamistischer Netzwerke, Akteur*innen und Strukturen auf Instagram

Eine Publikation von Violence Prevention Network gGmbH im Rahmen des Projekts SOMEX – Social Media extrem: Sensibilisierung von Fachkräften zu Online-Strategien extremistischer Akteurinnen im Kontext Islamismus

Von Ahmad Alsalman, Niklas Brinkmöller, Benedikt Büchsenschütz, Meike Krämer, Luis Kreisel, Meryem Tinç und Margareta Wetchy

Zusammenfassung

Akteure sind Stichwortgeber, Akteurinnen verbreiten Inhalte und bereiten diese für weibliches Publikum auf

Die Netzwerkanalyse zeigt, dass eine Vielzahl an bereits bekannten, männlich gelesenen, islamistischen Accounts auch von der Follower*innenschaft weiblich gelesener, islamistischer Kanäle rezipiert wird. Darunter finden sich sowohl als salafistisch zu bezeichnende als auch der Hizb ut-Tahrir (HuT)[1] nahestehende Accounts. Zudem konnten im Datenset keine weiblich gelesenen Accounts identifiziert werden, die als Stichwortgebende in einem islamistischen Ökosystem zu fungieren scheinen. Die gefundenen weiblich gelesenen Accounts zeichnen sich durch eine geringere Follower*innenzahl aus, verbreiten Inhalte größtenteils in Form von Texten und treten in der Regel nicht mit Gesicht und Klarnamen auf. Zudem konnten zahlreiche weiblich gelesene Accounts identifiziert werden, die die Inhalte männlicher Akteure reposten und ihnen dadurch zu noch mehr Sichtbarkeit verhelfen. Accounts, die mutmaßlich von Männern geführt werden und Inhalte von Akteurinnen reposten, konnten hingegen nicht identifiziert werden. Dem Gebot männlicher, islamistischer Akteure, dass Frauen sich aus der Online-Sphäre zurückziehen bzw. zumindest anonym auftreten sollten, scheinen Akteurinnen also in gewisser Weise nachzukommen.

Hohe Anschlussfähigkeit zu Hizb ut-Tahrir-nahen, aktivistisch orientierten Kanälen und Akteuren

Kanäle wie Islambotschaft, Generation Islam und Realität Islam scheinen unter Follower*innen, die auch islamistischen, weiblich gelesenen Kanälen folgen, populär zu sein und machen erneut deren zentrale Bedeutung in aktuellen, überwiegend deutschsprachigen Netzwerken deutlich. Kanäle, die dem (islamistisch-konnotierten) Aktivismus und der Hizb ut-Tahrir zuzuordnen sind, sind stark männlich geprägt.

Hohe Diversität islamistischer Inhalte

Die Heterogenität und Vielfalt an islamistischen Accounts lässt erahnen, dass User*innen je nach persönlichen Vorlieben auf Accounts stoßen, die der eigenen Ausrichtung entsprechen; islamistische Accounts können nicht nur durch bestimmte religiös-theologische Interpretationen, sondern auch durch eine politisch-aktivistische Ausrichtung anschlussfähig sein. Das Vorhandensein einer Vielzahl von englischsprachigen sowie arabischsprachigen Kanälen zeigt die internationale Dimension der Inhalte auf.

Hohe Anschlussfähigkeit zu Berichterstattung aus und über Gaza und Palästina

Im Datenset wurden zahlreiche Kanäle identifiziert, die sich mit der Situation in Gaza und Palästina bzw. mit dem Nahostkonflikt befassen. Es kann gefolgert werden, dass diese Inhalte unter Personen, die u.a. weiblich gelesenen, islamistischen Kanälen folgen, stark rezipiert werden.

Nutzen einer gendersensiblen Betrachtung

Insbesondere in extremistischen Kontexten, in denen Zuschreibungen zu binären Geschlechtervorstellungen zentraler Teil von Narrativen und Aussagen sind, scheint eine gendersensible Betrachtung – also eine, die Gender als zentrale Kategorie wahrnimmt – gewinnbringend. Durch diese Herangehensweise wird sichergestellt, dass z. B. nicht nur reichweitenstarke Accounts (und damit in diesem Fall männlich gelesene) betrachtet werden, wie es eine rein auf Klicks und Follower*innenzahlen beruhende Analyse tun würde, sondern auch weiblich gelesene in die Betrachtung aufgenommen werden.


[1] Bei der Hizb ut-Tahrir handelt es sich um eine islamistische, transnationale Bewegung, die ihren Ursprung in den 1950er Jahren hat, und sich in ihrer Kernausrichtung auf die Befreiung von Muslim*innen von einer global wahrgenommenen Unterdrückung fokussiert. Die Hizb ut-Tahrir wurde 2003 in Deutschland mit einem Betätigungsverbot belegt. Für weitere Infos, siehe Baron, Hanna. 2021. „Die Hizb ut-Tahrir in Deutschland“. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/themen/infodienst/329054/die-hizb-ut-tahrir-in-deutschland/, letzter Aufruf am 09.09.2024.

Das komplette Short Paper (50 S.) können Sie hier downloaden.

Das Projekt wird gefördert von der Landeskommission Berlin gegen Gewalt und kofinanziert von aidFIVE.