National Befreite Zone:
Der Begriff der „National Befreiten Zone“ steht seit 1991 für die zentrale strategische Vorstellung des organisierten Neonazismus vom Machtgewinn an den Institutionen des verhassten „Systems“ vorbei. Als Kampfparole ist der Begriff untrennbar mit ausländerfeindlichen Ausschreitungen bzw. Terror gegen so genannte „Volksschädlinge“ – unangepasste Jugendliche, Obdachlose, Behinderte u. a. – verknüpft. Darüber hinaus verbindet sich mit dem Begriff ein Zustand in bestimmten Regionen und Gemeinden der Neuen Bundesländer, wo es tatsächlich öffentliche Räume gibt, z. B. Bahnhofsvorplätze, die zumindest zeitweise unter der Kontrolle pöbelnder, gewaltbereiter und Naziparolen verbreitender Jugendgangs stehen. Mancherorts scheint dieser Zustand von einem nicht geringen Teil der Bevölkerung sogar geduldet zu werden.
Der Aufruf, gezielt in Mitteldeutschland (gemeint ist hier das gesamte Gebiet der ehemaligen DDR) „befreite Zonen“ zu schaffen, erschien erstmals 1991 im Organ des NPD-Studentenverbandes „Nationaldemokratischer Hochschulbund“, und ist seitdem Bestandteil der nationalrevolutionären Strategiediskussion. Auch wenn der Text nicht explizit definiert, wovon diese Zonen befreit werden müssten, drängen sich doch Assoziationen zum Begriff „judenfrei“, mit dem sich im nationalsozialistischen Deutschland besonders eifrig antisemitische Gemeinden und Gebiete rühmten, auf. Deutlich wird allerdings, dass die „Kameraden“ in diesen Zonen die „Sanktionsgewalt“ übernehmen sollten, um das staatliche Gewaltmonopol herauszufordern und schließlich zu ersetzen. Jede Gegenmaßnahme des „Systems“ würde selbiges als „volksfeindlich“ entlarven, das Ausbleiben von Gegenmaßnahmen würde seine Nutzlosigkeit erweisen.
„National“ kontrollierte Wohnobjekte, Jugendzentren, rechtsextreme Läden oder andere Gewerbebetriebe sollen zu Zentren der „befreiten Zonen“ werden; die Bevölkerung gilt es, in ihrem alltäglichen Kampf gegen das „System“ – Ämter und „Miethaie“ – zu unterstützen, um daraufhin „in einem Meer der Sympathie“ zu schwimmen. In der Realität gestaltet sich die Umsetzung dieser nationalistischen Guerilla-Romantik allerdings eher schleppend. Erfolgreicher hingegen gelingt dem organisierten Neonazismus die propagandistische Nutzung des Begriffs, der politische Handlungsfähigkeit vortäuscht und das Resultat von Verwahrlosung und Jugendkriminalität als „national befreite Zonen“ ausgibt.
Auch ohne die Infiltration durch politische Kaderorganisationen ist die Jugendsubkultur vieler – überwiegend ostdeutscher – Gemeinden und Stadtbezirke mit rechtsextremer Symbolik und Musik durchsetzt, verleiht sie deren antisozialen und gewaltverherrlichenden Tendenzen doch am treffendsten Ausdruck. Rechtsradikalismus, Neopaganismus, Rassismus und Antisemitismus werden zu Ausdrucksformen autoritär sozialisierter Jugendlicher, die im sozialen Abseits zivilitätsferner Milieus verharren. Sogenannte „Angsträume“ entstehen oft da, wo Phänomene jugendlicher Devianz und Verwahrlosung auf ein bedauerliches Vakuum zivilgesellschaftlicher Mentalität und eine mangelnde Verankerung rechtsstaatlicher Institutionen in der Bevölkerung treffen. Erst diese Milieus ermöglichen die Schaffung sogenannter „No-Go-Areas“, in denen Menschen, die nicht den Normen dieser Subkultur entsprechen, mit bisweilen lebensbedrohlichem Mobbing, Hetze und Vefolgung rechnen müssen.